KONVERGENZEN


Musik im Studio

Ort

ORF Studio 3
6020 Innsbruck

Termin

Dienstag, 5. November 2019 20:15 Uhr



Programm

Josef Haller Ptosis / Apantesis (2017)
Elisabeth Flunger tinnitus suite UA
Elisabeth Flunger wunderbare reise 10 UA
Christopher Trapani Convergence Lines (2013) ÖEA

Eintritt frei
Um Voranmeldung wird gebeten 0512 566 533 oder studio3.tirol@ORF.at
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Josef Haller - Ptosis / Apantesis
Das Stück entstand im Auftrag der Sterzinger Osterspiele und beschreibt zwei der 14 Kreuzwegstationen, den Leidensweg Jesu vor seiner Kreuzigung. Es ist dementsprechend in zwei Teile gegliedert:
Der erste Teil (Ptosis, gr. „Sturz“) schildert Station III „Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz“ und versucht den trägen, beschwerlichen Gang des entstellten Jesus unter dem schweren Kreuz darzustellen, wie er ins Straucheln kommt und schließlich unter der großen Last zusammenbricht. Ächzende und knarzende Streicherklänge sowie der Einsatz einer Ratsche – eines der ältesten jüdischen Ritus-Instrumente – bilden die Klangkulisse dazu.
Der zweite Teil (Apantesis, gr. „Begegnung“) stellt Station IV „Jesus begegnet seiner Mutter Maria“ dar. Als starker Kontrast zu den abgründigen Klängen des ersten Teils besteht die Musik nun aus reinen, harmonischen Klängen der Obertonskala, was die tröstliche Erscheinung Marias verklanglicht. Über dieser Fläche entfaltet sich eine trauernde Flötenmelodie, ein Wehklagen der Mutter über ihren zerschundenen Sohn. Gestus und Tonmaterial sind an traditionelle arabische und jüdische Klagelieder angelehnt. Der Gesang wird immer wieder unterbrochen von Metallgeräuschen - Nägel die in Holz gehämmert werden und die bevorstehende Kreuzigung prophezeien.

Elisabeth Flunger - Tinnitus Suite
Der Tinnitus ist kein Schallereignis, das von außen auf das Ohr trifft, sondern eine Hörerfahrung, die im Gehirn oder im Innenohr entsteht und durch Stress oder Lärmbelastung ausgelöst werden kann. Tinnitusklänge können sehr unterschiedlich sein und treten im gesamten hörbaren Frequenzspektrum auf.
Gespräche mit über 20 Tinnitus-Betroffenen waren die Grundlage für die Klänge, die in der Tinnitus-Suite vorkommen. Die Schilderungen gehen von „ich habe keine Worte, um das zu beschreiben“ bis zu komplexen minutiösen Darstellungen. Manche KomponistInnen haben ihren Tinnitus mit elektronischen Mitteln oder in Ensemblestücken vertont. Von Bedřich Smetana gibt es eine Stelle in seinem Streichquartett „Aus meinem Leben“ und einen Brief, wo er von den Ohrgeräuschen erzählt, die ihn in den letzten Jahren seines Lebens plagten.
Viele Betroffene hören Geräusche oder Töne in sehr hohen Frequenzen, vor allem zwischen 6 und 8 Khz. Diese Tinnitusklänge genau umzusetzen wäre nur mit elektronischen Mitteln möglich, aber das Ziel war, sie mit akustischen Instrumenten zu spielen, um jeden einzelnen Tinnitus so expressiv wie möglich darzustellen und physisch erfahrbar zu machen. Deshalb wurden diese ganz hohen Frequenzen nach unten transponiert.
Die Tinnitus-Suite ist ein Angebot an alle, die noch nie einen Tinnitus hatten, diese faszinierenden inneren Welten kennenzulernen, und für die Tinnitus-Geplagten eine Möglichkeit, sich auszutauschen und sich zu trösten, dass es vielen anderen auch nicht besser geht.

Elisabeth Flunger - Wunderbare Reise 10
Der Zyklus Wunderbare Reise besteht aus Musikstücken und Installationen, die vom Reisen und von der Fortbewegung inspiriert sind: die rauen und glatten Oberflächen in einem Zugabteil werden zur Klangerzeugung genutzt, eine Fahrt im Ballon, eine Autofahrt, eine Bahnfahrt in Musik transformiert. Wunderbare Reise 10 ist ein Spaziergang auf einem Feldweg: Steine, Schlamm, Gras, Kies, Blütenblätter bilden Muster, Texturen und singuläre Ereignisse, die in Klang umgesetzt werden.

Christopher Trapani - Convergence Lines
Dieses Projekt entstand anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums von Thomas Pynchons Erstlingsroman V. Die Musik folgt in den schnellen vorwärtsdrängenden Passagen chronologisch den sechs Kapiteln des Romans, die in den 50er Jahren in New York spielen, Anklänge von Big Band, Salsa und Jazz sind durch die Musik dieser Zeit inspiriert. In den sechs geradzahligen Kapiteln, jongliert Pynchon mit Zeiten und Orten und die Musik folgt diesen mit sehr unterschiedlichen Atmosphären. Im Laufe des Stückes verwischen immer mehr die Grenzen zwischen den Teilen und so wie sich in Pynchons Roman die Erzählstränge nähern, so konvergieren die musikalischen Elemente. Ein signifikantes Thema des Romans ist die Kluft zwischen Mensch und Maschine; in Musik übersetzt mit den Dämpfungen und Präparationen der Instrumente, des Weiteren mit dem Einsatz von Elektronik, die sich fast ausschließlich aus aufgenommenen Instrumentalklängen generiert. Eine spezielle Software folgt während des Spiels dem Ensemble und überlässt damit den MusikerInnen die Führung.